Die Sache mit der Samenspende...
von Renato Pfeffer
Die Sache mit der Samenspende...
In der Schweiz hat sich die Ehe die letzten Jahrzehnte immer weiterentwickelt. Ein grosser Schritt waren auch die Frauenrechte – mit dem Frauenstimmrecht und der Möglichkeit, dass Frauen ohne Einwilligung des Mannes Arbeitsverträge usw. unterzeichnen durften. Zum Glück entwickelte sich die Ehe weiter. Die letzten Jahre gab es einige Änderungen in Bezug auf das Fortpflanzungsmedizingesetz und in Bezug auf das Adoptionsrecht:
Vor 2001: Samenspende gibt es in der Schweiz schon länger. Diese wurde lange unreguliert angewendet; durch anonyme Samenspende, private Samenspende oder durch Samenspenden im Ausland.
2001 wurde die «wilde» Samenspende durch das Fortpflanzungsmedizingesetz in der Schweiz geregelt. Dabei war das Wohl des Kindes ein wichtiger Punkt: es bekam Rechte, die es zuvor durch die «wilde» Samenspende nicht hatte.
2007: Die Eingetragene Partnerschaft wird eingeführt: homosexuelle Paare können eine verbindliche Partnerschaft eingehen, die vom Staat geschützt und gesichert wird. Homosexuelle Personen können als Einzelpersonen ein Kind adoptieren, sobald sie in einer eingetragenen Partnerschaft leben, können sie das aber nicht mehr. Es gab seit 2007 viele Anpassungen.
2018: Die Stiefkindadoption für Paare in eingetragener Partnerschaft wird ermöglicht. Es ist jetzt für ein Kind möglich, zwei Väter oder zwei Mütter zu haben.
2021: Wir stehen vor einer neuen Abstimmung: Die Ehe soll inklusive Samenspende für homosexuelle Paare geöffnet werden. Es werden zwei Hauptthemen diskutiert:
Zum einen die Eheöffnung an sich für homosexuelle Paare. Es gibt immer noch Unterschiede zwischen den zwei Zusammen-lebens-formen. Es gibt immer noch Unterschiede wie die Regelung in einem anderen Gesetz, die erleichterte Einbürgerung, der separate Zivilstand usw. Wesentlich für mich ist, dass sich eine Person in eingetragener oder aufgelöster Partnerschaft jedes Mal als homosexuell outen muss, wenn sie in einem Formular ihren Beziehungsstatus angeben muss.
Zum anderen der Zugang zur Samenspende für Frauenpaare durch die Eheöffnung. Zu dieser Öffnung gibt es einige falsche Annahmen:
- Samenspende werde neu eingeführt – falsch: seit 2001 gibt es die Samenspende in der Schweiz. Diese Diskussion hätte vor 20 Jahren geführt werden müssen.
- Es werden zusätzliche Kinder gezeugt – falsch: viele Frauenpaare werden heute durch eine anonyme oder private Samenspende oder durch eine Samenspende im Ausland schwanger. Diese Schwangerschaften werden durch eine Ablehnung des Gesetzes nicht verhindert. Wenn ein Frauenpaar ein Kind will, hat es bereits einen langen Weg gemacht und hat sich sehr viele Gedanken auch über das Wohl der Kinder, die Art der Zeugung usw. gemacht. Ob das Kind dann durch eine «wilde» oder «ordentliche» Samenspende in der Schweiz gezeugt wird, spielt für die Entscheidung eine verschwindend kleine Rolle. Die gesetzlichen Rechte des Kindes und der Eltern würde sich aber stark verbessern.
- Wir verhindern, dass ein Kind bei zwei Vätern oder zwei Müttern aufwächst – falsch: seit 2018 gibt es die Stiefkindadoption. Die Kinder können gegenseitig adoptiert werden. Bei einem Ja würden die Rechte der Kinder aber gestärkt in der Absicherung gegenüber den Eltern im Erbrecht, Abstammungsrecht, Halbwaisenrente und Alimenten.
- Dem Kind wird der Vater vorenthalten – falsch, im Gegenteil! Mit der «wilden» Samenspende hat das Kind gar kein Recht zu wissen, wer der Vater ist. Bei einer «ordentlichen» Samenspende hat es jedoch das Recht, spätestens ab dem 18. Geburtstag zu erfahren, wer der Vater ist. Zudem gibt es weitere gesetzliche Sicherheiten, wie viele Kinder ein Samenspender zeugen kann, wie diese vor einer Hochzeit mit einem Halbgeschwister geschützt werden usw.
- Die Leihmutterschaft wird eingeführt – falsch: dafür bräuchte es eine Verfassungsänderung. Leihmutterschaft ist für hetero- wie auch für homosexuelle Paare verboten.
Zusammenfassend kann man bei der Samenspende sagen: Die ganzen kritischen Fragen der Samenspende und Adoption wurden bereits vor 20 oder 3 Jahren entschieden oder sind gegeben. Die vorliegende Abstimmung ändert nichts daran, ob diese Kinder gezeugt werden. Es verbessert sich aber vieles in Bezug auf die Rechte der ersten Lebensjahre. Ich finde es darum nicht in Ordnung, dass diese Diskussion aktuell auf dem Rücken und auf Kosten der Rechte von homosexuellen geführt wird.
Familienideale in der Bibel zu finden, ist schwierig. Patchworkfamilien gab es damals mit einer Art Leihmutterschaft bei den Mägden von Sara, Rahel und Lea. Eine Form der Samenspende gab es durch die Schwagerehe bei Tamar und Ruth. Patchworkfamilien sind nichts Verwerfliches - weder damals noch heute. Im Gegenteil finde ich es schwierig, werden an die Ehen heute so hohe «heilige» Ansprüche gestellt, die kein Paar erfüllen kann. Die Ehe ist weder heilig noch ewig. «Die Ehe ist ein weltlich Ding.» – wie Luther sagte.
Durch Gesetze können wir Patchworkfamilien und Regenbogenfamilien nicht ändern oder verhindern. Wir können aber aus der Bibel Richtlinien ableiten, wie wir mit all diesen Familienkonstellationen umgehen: die Bibel lehrt uns, trotz all den persönlichen Konflikten, den Enttäuschungen, vielleicht Betrug durch fremdgehen usw. zusammenzuleben: mit Vergebung, Versöhnung, viel viel Liebe und Gottvertrauen. Das braucht es in heterosexuellen Familien genau gleich wie in Regenbogenfamilien. Darum mein Fazit:
Der Umgang in der Familie und nicht die Form macht das christliche Erbe aus.