1. Augustrede für ein Miteinander

von Renato Pfeffer

Wahltag ist Zahltag!

«Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern und Schwestern – (political correctness),
in keiner Not uns trennen und Gefahr.»

Geschätzte Brüder und Schwestern aus Samstagern
Geschätzte Brüder und Schwestern aus Richterswil
Geschätzte Brüder und Schwestern aus dem Gemeinderat
Geschätzte Anwesende, die sich durch diese vielleicht auch vorbelastete Anrede nicht angesprochen fühlen

Es ist mir eine Ehre, euch hier im Stollenrain in Samstagern zur hohen 728 – Jahrfeier gerade als jüngster Gemeinderat begrüssen zu dürfen. Mit so hohen Zahlen können wir in Richterswil gut umgehen – mit 754 Jahren liegen wir gegenüber der Eidgenossenschaft um 26 Jahre voraus.

In diesen 26 Jahren vor dem Rütlischwur, den Friedrich Schiller mit den vorangegangenen Worten einführt, gab es in der Schweiz und in Richterswil angespannte Verhältnisse. Die Habsburger waren eine nicht nur politische, sondern auch militärische Gefahr. Ein grosses Thema war die Freiheit und eigene Gerichtsbarkeit. Die damaligen Bewohner der Kantone haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam Herausforderungen und Gefahren von aussen zu begegnen. Mann und Frau haben viele ihrer eigenen Interessen auf die Seite gelegt, um mit den durchaus auch fremden Personen aus den Nachbarkantonen gegen einen gemeinsamen Feind hinzustehen. Der Feind meines Feindes ist mein Freund – über die Kantonsgrenzen hinaus, über die Gesinnungsgrenzen hinaus, über die politischen Grenzen hinaus.

Durch diesen Zusammenhalt konnte die Schweiz die letzten 728 Jahre viele Schwierigkeiten meistern und hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Es gibt wenige Statistiken bei Ländervergleichen, bei denen die Schweiz nicht ganz vorne mit dabei ist.

Ja, es gab auch Kriege innerhalb der Schweiz – es war trotz dem Schwur nicht immer alles freundlich – eben zwar Brüder und Schwerstern – aber trotzdem nur fast eine Familie. Es gab und gibt vieles, das wir noch anpacken müssen. Auch heute gibt es grosse Herausforderungen in der Schweiz. Erlauben sie mir, einige aus der Gemeinde Richterswil zu nennen:

Im Jahr 2000 hatte Richterswil 10'430 Einwohner. Ende 2018 waren es 13'406. Das ist ein Wachstum über knapp 20 Jahre von nicht ganz 1/3 und entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Samstagern. Zudem wurden Investitionen zu lange herausgeschoben.

Die Gemeinde Richterswil ist herausgefordert: in der Infrastruktur und im Personal.

  • Wir brauchen mehr Platz für die Schülerinnen und Schüler – dieses Platzproblem sind wir aktuell am Lösen.
  • Das Wohn- und Pflegezentrum Wisli muss so rasch wie möglich umgesetzt werden – die Urnenabstimmung für den Frühling 2020 ist geplant.
  • Sportliche Angebote für mehr Personen brauchen auch hier zusätzliche Investitionen – den Auftrag für eine Projektierung der 3-Fachturnhalle haben wir von der Bevölkerung an der letzten Gemeindeversammlung erhalten.
  • Um das Gebäude der Feuerwehr steht es schlecht: der Statiker gibt dem Gebäude noch wenige Jahre, bis die Stützen das Gewicht der Fahrzeuge nicht mehr trägt (bei denen übrigens Änderungen vorgenommen werden mussten, damit sie betreff Höhe und Breite überhaupt noch Platz hatten).
  • Mehr Einwohner, neue Gesetze und viele zusätzliche Aufgaben erhöhten den administrativen Aufwand der Verwaltung enorm. Dass die Verwaltung in sechs Verschiedenen Gebäuden die teilweise 15min Fussweg voneinander entfernt sind, erleichtert die Zusammenarbeit nicht – und kein Unternehmen, das wirtschaftlich agieren möchte, würde sich das leisten.
  • Die Bevölkerung hat ja zum RED-Projekt im Dorf gesagt, das wir mit den verschiedensten Interessengruppen diskutieren und planen.

Geehrte Feiernde
Es stehen uns heute keine Habsburger gegenüber, gegen die wir uns verteidigen müssen. Wir haben aber viele Herausforderungen, die uns alle betreffen. Es geht nicht darum, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist, sondern das ich denjenigen zum Freund machen muss, der vor den selben Herausforderungen steht.

Jeder hat sein eigenes Klientel – und in der Politik seine eigenen Themen. Erlauben Sie mir einen kurzen – bei weitem nicht vollständigen – Abriss über unsere Parteien in Richterswil. Mir ist bewusst, mit diesen Aussagen auch viel zu karikieren – und das vermutlich mein eigener Parteipräsident nicht gerade begeistert sein wird, dass ich alle Parteien und auch unsere nur auf ein Thema einschränke:

SP: Für alle statt für wenige
Grüne: Für die Umwelt
EVP: Für eine gute Schule
CVP: Für die Familie
FDP: Für die Wirtschaft
SVP: Für ein unabhängiges Richterswil und Samstagern.

Ich bin jetzt gut ein Jahr bei uns im Gemeinderat – dort sind die politischen Ausrichtungen wichtig, und die bringt jeder auch ein. Aber ich habe mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Gemeinderat einen Vorzeichenwechsel gemacht:

Mit allen, statt mit wenigen.
Mit der Umwelt.
Mit der Schule.
Mit der Familie.
Mit der Wirtschaft.
Mit Richterswil und Samstagern.

Ich schätze die Zusammenarbeit im Gemeinderat sehr: es ist ein Miteinander – auch mit unterschiedlichen Meinungen und Ansichten. Man findet Kompromisse und weiss, dass wir die Herausforderungen nur gemeinsam lösen können. Wir haben zum Beispiel nicht neun Legislaturziele, sondern fünf – und vier davon sind in der Abteilung Liegenschaften. Es ist ein Miteinander, kein «sich-nur-für-die-eigenen-Interessen-Einsetzen».


Wir suchen den Kontakt zu den Parteien am «Runden Tisch» und holen kritische Rückmeldungen ab. Wir sitzen mit den Geschäften im Dorf zusammen, um das RED zu planen und wir möchten auch sonst mehr kommunizieren – zum Beispiel mit «Richtig aktuell». Ihre Meinung ist gefragt – nicht erst am Abstimmungstag.

Kommunikation ist sehr wichtig: Man versteht einander besser, rückt zusammen und kann gemeinsam an Problemen Arbeiten. Als Ressortvorsteher Sicherheit liegen mir natürlich andere Anliegen besonders am Herzen:

Die Sicherheit auf der Strasse. Und hier sind wir besonders auf ihr «Miteinander» angewiesen. Das mit dem Telefonverbot während dem Fahren oder anderen Ablenkungen ist keine Schikane. Ich durfte unsere Polizei vor kurzem auf ihrer Patrouille begleiten. Ich kann ihnen versichern, dass es bequemere Arbeitskleider als schutz- und stichsichere Westen gibt. Dabei erlebte ich einiges: Darunter auch das Betreuen der Verletzen Person nach einem Unfall wegen Ablenkung und das Zusammenräumen der Autoreste. Wenn im Dorf Baustellen sind, gibt es Umfahrungen, Einbahnstrassen – ohne ein Miteinander zwischen Bevölkerung und Polizei ist das nicht möglich.

Auf der Patrouille mussten wir auch wegen häuslicher Gewalt ausrücken – leider für die Polizei ein tägliches Geschäft: das Miteinander mit der Polizei funktioniert hier besser, je früher sie informiert und kontaktiert wird.

Veranstalter wie der Verkehrsverein wissen, welche Auflagen wir teilweise für Anlässe machen müssen – mit dem Sicherheitskonzept, mit neuen Regelungen für Gasgrill usw. Es ist am Ende ein Miteinander, das die Anlässe sicherer macht.

Es ist ein Miteinander, das die Lärmbelastung von z.B. Partys wie «The Lake» über die Jahre für uns von der Lautstärke und dem Bass her immer erträglicher macht. Es ist aber auch ein Miteinander, dass die Veranstaltungen doch so weitergeführt werden können als Bereicherung für Richterswil.

Es ist ein Miteinander, wenn wir bei verdächtigen Beobachtungen die Polizei informieren. Viel kann durch Vorsicht und entsprechendes Wissen aus Gesprächen schon vorangehend vermieden werden und zusätzliches durch richtiges Kontaktieren der Polizei.

Auch bei der Feuerwehr durfte / musste ich bei einer Schulung die Kleider ausprobieren und in Andelfingen entsprechend das Feuer hautnah erleben. Respekt vor dem freiwilligen Einsatz, den ihr immer wieder leistet – bei Einsätzen mit Feuer aber auch Wasser, Menschen und Tieren! Die freiwillige Feuerwehr funktioniert auch nur, wenn Personen aus der Bevölkerung da Mitmachen. Gerade auch bei Feiern wie heute ist die Feuerwehr Thema: Miteinander können wir grösseres Unglück vermeiden. Im letzten Jahr haben wir wegen der Trockenheit ein Feuer und Feuerwerkverbot gehabt. Das sind Einschränkungen, die wir aber in Kauf genommen haben. Heute dürfen wir dafür wieder um so mehr mit Feuer und Feuerwerk feiern. Speziell möchte ich in Bezug auf die Feuerwehr auf einen Anlass aufmerksam machen. Am Abend und in der Nacht vom Freitag 30. auf den 31. August findet die Nacht der offenen Tore der Feuerwehr im Feuerwehrdepot statt. Unsere Polizei wird auch dabei sein. Das ist eine gute Gelegenheit, sich einmal mit Fragen um die Sicherheit auseinander zu setzen.

Es geht um ein Miteinander – nicht nur in der Sicherheit mit allen Einschränkungen, sondern auch in der politischen Planung für unsere zukünftige Gemeinde: Ein Abwägen zwischen Interessen, zwischen Kompromissen – aber immer vor den gemeinsamen Herausforderungen.

«Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern und Schwestern,
in keiner Not uns trennen und Gefahr.» Ein Aufruf an sie, liebe Festgemeinde – nicht das wir jetzt Brüder und Schwestern sind. Nicht, dass wir uns in grosser Not und Gefahr befinden: Aber dass wir die selben grossen Herausforderungen haben und darauf angewiesen sind, diese gemeinsam zu meistern. Feiern verbindet. Gemeinsame Herausforderungen verbinden. Diese Herausforderungen kann man besser meistern, wenn man etwas zusammenrückt – nicht zu nahe, aber so nahe, dass man miteinander sprechen kann, einander versteht und dann vielleicht neue Lösungen findet.

In dem Sinn: Gutes Feiern und Anstossen miteinander auf das kommende Jahr!

Renato Pfeffer
Gemeinderat Richterswil

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